Zukunft Barrierefrei 4.0 – virtuell, vernetzt und interaktiv

Mai 10, 2020 Von willi Rudolf

Zukunft Barrierefrei 4.0 – virtuell, vernetzt und interaktiv » Klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit in allen Bereichen » Christine Engelhardt, Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg: „Barrierefreiheit umfasst heute viel mehr als eine Rampe oder einen abgesengten Bordstein“
» Sabine Goetz, Geschäftsstellenleiterin des LSK BW: „Nur wer versteht Barrieren
abzubauen, wird sich damit auseinandersetzen.“
» LSK BW sucht Botschafter Barrierefreiheit, Ausbildungsbeginn im kommenden Jahr Stuttgart/ Tübingen, 26. November 2019. Welchen Vorteil können Menschen mit Beeinträchtigung aus der
zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft ziehen und wie gestalten wir diesen Raum in Zukunft sozial
und barrierefrei. Fakt ist, Barrierefreiheit sieht im 21. Jahrhundert anders aus als noch vor 25 Jahren. Ein
wichtiges Zukunftsthema, dem sich der Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Menschen Baden-
Württemberg (LSK BW) auf seiner Auftaktveranstaltung „Zukunft Barrierefrei 4.0“ verschrieben hat und ein
klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit. Dabei geht es um die technischen Möglichkeiten, zum Beispiel im
Bereich Mobilität oder auch um Kommunikationsmöglichkeiten im virtuellen Raum – Beispiele, die greifbar
machen, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird.
„Das Landeskompetenz-Zentrum Barrierefreiheit Baden -Württemberg kommt“, berichtet Christine
Engelhardt vom Ministerium für Soziales und Integration in ihrem Grußwort und soll in Zukunft einen
wichtigen Beitrag in diesem Bereich leisten. „Barrierefreiheit umfasst heute viel mehr als eine Rampe oder
einen abgesenkten Bordstein. „Wo Barrieren behindern bleibt eine Teilhabe verwehrt“, so die
Ministerialdirektorin.
Viele Menschen erschrecken bei dem Begriff Digitalisierung, stellt Gerd Weimer, Schirmherr LSK BW und
ehemaliger Landesbehindertenbeauftragter klar. Viele fürchten sich vor weiteren Diskriminierungen im
digitalen Raum. Bei intensiver Beschäftigung mit diesem Zukunftsthema liegen die Vorteile auf der Hand:
vor allem auch für Menschen mit Handicap. Wenn später einmal Autos autonom fahren oder Menschen
sich in virtuellen Räumen treffen können, dann birgt das große Vorteile, vor allem für Menschen, die heute
nicht so einfach am sozialen Leben teilhaben können. „Städte und Gemeinden haben in Sachen
Barrierefreiheit den Schlüssel in der Hand“, unterstreicht er.
Ein wichtiger Baustein zur Erreichung dieses Ziels sollen ausgebildete „Botschafter Barrierefreiheit“ sein.
„Nichts ohne uns, über uns“, stellt Sabine Goetz, Geschäftsstellenleiterin des LSK BW klar. Barrierefreiheit
sei die Grundlage des Verbandes und der Grundpfeiler nachhaltiger sozialer Wirtschaftsräume. Zehn bis 15
Prozent der Bevölkerung hätten irgendeine Art Einschränkung, berichtet sie und der demografische Wandel
berge große Herausforderungen. „Nur wer versteht Barrieren abzubauen wird sich damit
auseinandersetzen“, unterstreicht sie. Dabei sollen die Botschafter eine zentrale Rolle in der Vermittlung
spielen, beispielsweise bei größeren Institutionen oder Kommunen. Umfassende Barrierefreiheit sei kein
Selbstläufer.
Wer Einschränkungen hat, darf in Zukunft nicht davor zurückschrecken sie mit Technik zu kompensieren.
Virtuelle Realität und Mobilität der Zukunft seien hier die entscheidenden Schlagworte. Der Tübinger VR-
Pionier Benjamin Rudolf zeigte anschaulich wie Grenzen im virtuellen Raum überwunden werden können.
„Im virtuellen Raum grenzt Deutschland an China“, berichtet er. Das Präsenzgefühl sei enorm. „Wenn sich
Menschen gegenübersitzen, ist die Verbindung deutlich stärker. Im virtuellen Raum gibt es keine E-Mails,
da gibt man das Dokument über den Tisch.“

www.paravan.de 2
Auch die Behindertenmobilität sei ein großer Nutznießer dieser Entwicklung. Systeme wie das Fahr- und
Lenksystem Space Drive – als Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren in Level 4 und 5 – birgt
große Potentiale, den Markt für weitere Nutzergruppen zu öffnen. „PARAVAN hat hier ein ganzheitliches
Programm, auch und vor allem in Verbindung mit dem Rollstuhl“, erklärt PARAVAN-Vertriebsleiter Thomas
Körner. Moderne Assistenzsysteme zeigten heute schon, wo die Reise hingehe und bieten große Chancen.
„Es ist in Zukunft nichts unmöglich, wenn man es will.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es darum, wie die „Zukunft Barrierefreiheit“ aussehen sollte
– egal ob mit „4.0“ oder „ohne“. Der Kreisbehindertenbeauftragte von Tübingen, Willi Rudolf – selbst
Rollstuhlfahrer – berichtet von seinen Erfahrungen aus der Praxis am Beispiel der barrierefreien Arztpraxis.
Nur gut 20 Prozent würden diesen Anspruch erfüllen. „Das große Problem liegt nicht in der Technik,
sondern in der Bürokratie“, unterstrich er. Prof. Udo Weimar von der Universität Tübingen und
Mitbegründer des Lebensphasenhauses machte deutlich, wie wichtig Barrierefreiheit in Zukunft sein wird,
vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel. „Barrierefreiheit muss im gesellschaftlichen
Bewusstsein ankommen“, forderte Kristin Schwarz, Verbandsdirektorin des Kommunalverbandes für
Jugend und Soziales in Baden-Württemberg.
Mit Blick auf die Mobilität gebe es durch die zunehmende Automatisierung der Fahrzeuge eine
unglaubliche Erleichterung, betonte Thomas Körner von PARAVAN, in Zukunft auch für Menschen mit Seh-
und Hörproblemen bzw. mit kognitiven Schwächen. Das vollautonome Fahrzeug im Individualverkehr wird
noch Zukunftsmusik bleiben, aber in naher Zukunft werden neue Mobilitätskonzepte, wie beispielsweise
Robotaxis, Verkehrskonzepte nachhaltig ändern. Auch im Bereich barrierefreies Bauen sei ein Umdenken
enorm wichtig, unterstrich Bernd Gammerl vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau. „Das
betrifft das barrierefreie Bauen und Wohnen ebenso, wie die Diskussion um das barrierefreie Denkmal.
„Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Barrierefreiheit in allen Bereichen zu schaffen“, forderte Willi
Rudolf, ebenfalls Ehrenvorsitzender des LSK BW und Spiritus Rector der Veranstaltung, zum Schluss. „Die
Wahrscheinlichkeit das Sie einmal betroffen sind, ist deutlich höher als eine barrierefreie Praxis zu finden.“
Wer Interesse hat, „Botschafter Barrierefreiheit“ zu werden und eine Weiterbildung in diesem Bereich zu
absolvieren kann sich informieren bzw. bewerben: www.barrierefreiheit-lsk-bw.de.